RV02 Umgang mit soziokultureller Heterogenität

Die Ausländerpädagogik der 70/80iger Jahre sah Zuwanderung als ein zeitlich begrenztes Phänomen, basierend auf einer Homogenitätsvorstellung. Zum Ziel des Wiedererlangens einer vermeintlichen Homogenität wurden Sprachförderung und Sonderklassen eingerichtet. So gibt es auch heute noch an vielen Schulen Sprach-förderklassen, die von einigen SuS parallel zum Regelunterricht besucht werden.

An meiner letzten Praktikumsschule gibt es, laut Schulprogramm einen Anteil von 60% SuS mit Migrationshintergrund aus 26 Nationen. Ab 1.8 2019 haben 76 SuS einen sonderpädagogischen Förderbedarf. Jede Klasse hat derzeit einen Anspruch auf 2 Förderstunden pro Woche. Die meisten Kinder kommen aus sozial schwierigen Verhältnissen. Dies ergibt laut Schulprogramm ein Aufwachsen mit vielfältigen Entwicklungsrisiken. In diesen herausfordernden Bedingungen, ist es der Schule aber gelungen einen sehr konstruktiven Umgang mit der Situation zu finden:

 

  • Angefangen mit Ritualen, wie der Begrüßung der SuS durch die Klassenlehrerin , die jeden Morgen in einer anderen Sprache vollzogen wird. Dabei machen die Kinder selbst viele Vorschläge und alle einigen sich gemeinsam auf eine Begrüßungsformel. ( Die deutsche Begrüßung war z.B. „Moin“, an anderen Tagen war es eine Begrüßung in Dari روز ر ! Roz ba khair != Guten Tag  oder „Salam“etc.)  Dabei entwickelten sich in der Stunde ganz automatisch oft Gespräche über die Herkunft und die verschiedenen Sprachen. So ein Ritual ist wohl der Interkulturellen Pädagogik zu zuordnen.
  • Sprachförderunterricht: 4 Kinder wurden jeden Donnerstag für zwei Stunden aus dem Unterricht genommen und durften zwei Stunden bei einer Sprachförderlehrerin intensiv an ihrem Deutsch ( hauptsächlich schriftsprachlich) arbeiten. Solch eine Maßnahme geht wohl aus der Entwicklung der Ausländerpädagogik der 70/80iger hervor.
  • Des weiteren gibt es seit Kurzem die Maßnahme „Stark in den Tag“, bei der die SuS zwischen 7 und 8 Uhr morgens in der schuleigenen Mensa ein gesundes Frühstück zu sich nehmen können, weil zu viele Kinder morgens ohne Frühstück in der Schule waren.
  • Zum dem gibt es an der Schule neben den vielen Sonderpädagogen auch Sozialpädagogen, die für die Vermittlung zwischen Schule und Elternhaus zuständig sind. Insbesondere helfen sie an der Hauptschule im Bereich der Konfliktlösung und Schulvermeidung, führen Gespräche mit den betroffenen Eltern und SuS. (Diversity education.)
  • Das Ganztagsangebot der Schule wird als besonders wichtig wahrgenommen, da es zur besseren Integration der SuS beiträgt und den Kindern ein umfangreiches Freizeitangebot bietet zu dem es sonst keinen Zugang gäbe.

 

 

Eine weitere Erfahrung mit dem Umgang mit soziokultureller Heterogenität habe ich bei der Aufnahme einer Tätigkeit im Bereich Sprachunterricht für Jugendliche mit Migrationshintergrund gemacht. Dort wurde eine Gruppe von 12 SuS für einen ergänzenden Sprachkurs ausgewählt. Es mussten aus finanziellen Förderungsgründen mindestens 12 SuS gefunden werden. Darum wurden SuS aus dem Gymnasium und der nahegelegenen Oberschule ausgewählt.  Die Gruppe setzt sich nun aus 2 Mädchen und 12 Jungen im Alter von 12-15 Jahren zusammen.  Somit ist die Gruppe schon durch den Unterschied der Klassenstufe ( 6. -9.Klasse) sehr heterogen. Aber auch die Lernausgangslage der einzelnen SuS variiert sehr stark. Die  Heterogenität der Gruppe stellt somit eine besondere Herausforderungen für die Lehrkraft dar. Diese verpflichtenden zusätzlichen Sprachkurse finden an zwei Tagen der Woche, parallel zum Regelunterricht statt.  Die SuS verpassen an diesen Tagen den Schulunterricht. Der zunächst augenscheinlichste homogene Aspekt dieser Gruppe scheint der Migrationshintergrund zu sein. Leider wirkt diese Maßnahme, trotz guter Absicht und großer Bemühungen aller Beteiligten, auch wie ein etwas verzweifelter  Versuch der Integration und führt eher zum sogenannten „Othering.“

 

  1. Zukünftige Beobachtungen könnten vor allem Aspekte der „Diversity education“ in den Fokus nehmen. Inwieferndie Schule/ Die Lehrkraft eine heterogene Gesellschaft als Ausgangsbasis für den Unterricht nimmt. Inwiefern werdenweitere Hetrogenitätsdimensionen im Unterricht thematisiert ( Beobachtung: Fokus auf z.B. Heimlicher Lehrplan der Lehrkraft)

 

  1. Grundsätzlich erscheint mir besonders wichtig, dass man in Schule den erweiterten Kulturbegriff der Interkulturellen Pädagogik aufnimmt, in dem Kultur mehr als theoretisches Konstrukt gedacht wird. Damit verbunden ist auch ein Umdenken in eine Richtung, dass heterogene Kulturen, einen Gewinn darstellen, ebenso die Vielfalt der Sprachen in einem soziokulturellen heterogenen Umfeld. Dies müsste sicherlich auch zu veränderten Lehrplänen führen.

Konkrete Ideen:

  • Pädagogische Werkstatt
  • Sprach-tandems

 

 

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