RV12 // Prof. Dr. Christine Knipping // Mathematische Leistungsunterschiede – empirische Befunde und Konsequenzen für das mathematische Lernen

1. Sind Unterschiede in den mathematischen Leistungen von Schülerinnen und Schülern ein Grund zur Sorge? Welche Bedeutung kommt dem zweigliedrigen Schulsystem (Oberschule / Gymnasien) in Bremen diesbezüglich zu?

Mathematik begleitet uns von der Grundschule an durch das ganze Leben. Sie ist sicherlich für den Alltag nicht unwichtig und auch im späteren Berufsleben wird man immer wieder mit Mathematik konfrontiert, man kommt nicht drum herum. Leistungsunterschiede sind sicherlich in jedem Schulfach zu finden. Der einen Person liegen eher Naturwissenschaften, der anderen Sprachen. Die Interessen von Menschen sind sehr unterschiedlich.

Es sind meiner Meinung nach nicht nur die Unterschiede in den Leistungen, sondern auch die Tatsache, dass die Leistungen im Allgemeinen im niedrigen Bereich liegen, vielleicht nicht unbedingt ein Grund zur Sorge, aber es sollte sich perspektivisch intensiv damit beschäftigt werden, wie man dem entgegenwirken kann. Die PISA Studie von 2000 zeigte deutlich, dass die mathematischen Kompetenzen der Schüler*innen im Alter von 15 Jahren, im unteren Bereich liegen (vgl. Folie 7 – 9). Die Leistungsunterschiede sind schon ab der ersten Klasse zu beobachten, leider nehmen diese während der weiteren Schullaufbahn nicht ab, sondern zu (Heinze et al. 2007). Auch der sozioökonomische Hintergrund scheint hier eine tragende Rolle zu spielen. So scheinen Grundschulkinder in deren Familie eine andere Sprache als deutsch, oder mehrere Sprachen gesprochen werden, auffällig schlechtere Leistungen in Mathematik zu erbringen (vgl. Folie 2). Forschungen beweisen, dass sich die Leistungsunterschiede zwischen Schüler*innen ohne Migrationshintergrund und Schüler*innen mit Migrationshintergrund nicht verringern lässt, so schließt sich diese Schere nicht (vgl. Folie 3). Nach dem „PISA-Schock“ im Jahre 2000 gab es eine enorme Reformbewegung. Im Jahre 2009 lag der Kompetenzwert erstmals deutlich über dem OECD-Durchschnitt, die starke Streuung der Leistungen der Schüler*innen bleibt jedoch weiterhin bestehen (vgl. Folie 13).

Das zweigliedrige Schulsystem in Bremen, mit Oberschule und Gymnasium ist, denke ich, ein guter Anfang und hat demnach eine große Bedeutung. Durch die unterschiedlichen Ansprüche an die Schüler*innen kann im Unterricht besser auf diejenigen eingegangen werden, welche intensivere Unterstützung benötigen. Es werden verschiedene Aufgaben, unterschiedlicher Niveaus gestellt und bearbeitet. So gelingt es den lehrenden Personen besser auf starke Defizite der Schüler*innen zu reagieren, um dann agieren zu können.

2. Spielen im Mathematikunterricht, kann das angesichts von Leistungsunterschieden ein Ansatz sein? Beziehen und begründen Sie eine Position aus Lehrenden-Sicht, die auch Schülersichtweisen einbezieht.

Ich halte Spielen im Mathematikunterricht für eine ausgesprochen gute Idee, um bei Leistungsunterschieden einen Ansatz zu finden. Es motiviert die Schüler*innen sicherlich mehr, als irgendwelche Mathematikzettel auszufüllen. Sie interagieren mit den anderen Mitschüler*innen, bekommen etwas visualisiert und können so eventuell besser verstehen und begreifen.

Aus Lehrenden-Sicht würde ich ebenfalls eine zustimmende Position einnehmen. Durch das Spielen können einige der einheitlichen Qualitätsansprüche abgedeckt werden. Hierzu zählen die Oberflächenstrukturen von Unterricht, wie die Kommunikation, Sozialformen und Methodenvielfalt welche den pädagogischen Kernbeständen zugeordnet sind. Auch Fachdidaktische Kernbestände wie Tiefenstrukturen von Unterricht z.B. die Prinzipien Verstehensorientierung, kognitive Aktivierung, aber auch das Lernen durch Entdecken, können durch das Spielen im Mathematikunterricht eine wichtige Rolle einnehmen. Ebenso die Strukturierung der Lerngegenstände (vgl. Folie 31).

3. Spielen kann im Handeln „stecken bleiben“, das Denken kommt zu kurz. Benennen Sie zwei unterschiedliche Möglichkeiten, wie Sie als Lehrkraft ausgehend vom Spielen eine weitere kognitive Aktivierung von Lernenden anregen können.

Die Schüler*innen sollten verstehen und erklären können, wieso sie dieses Spiel nun gespielt haben. Die eine Möglichkeit wäre sie darüber nachdenken zu lassen, warum die Lehrende Person genau dieses Spiel gewählt hat. Was die Lehrerin, der Lehrer sich dabei gedacht hat.

Eine andere Möglichkeit wäre, die Schüler*innen bei Misserfolg über einen Strategiewechsel nachdenken zu lassen.

4. Formulieren Sie zwei Fragen, welche Ihnen helfen können, mögliche Denkhandlungen von Lernenden zu beobachten.

Kann der Schüler/ die Schülerin seine Entscheidung mathematisch begründen?

Kann der Schüler/ die Schülerin das gelernte auf andere Aufgaben übertragen?

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Ein Kommentar

  1. Liebe Insa,
    vielen Dank für deinen sehr gelungenen Blogeintrag.

    Frage 1)
    Ich stimme dir zu, dass uns die Mathematik von der Grundschule an durch das gesamte Leben hinweg begleitet. Für mich war dieses Unterrichtsfach schon zu einem frühen Zeitpunkt eine Qual. Ich habe mich nie wirklich dafür begeistern können. Im Gegensatz dazu, hatte ich ein besonders hohes Interesse an Sprachen. Wie du bereits in deinem Blogeintrag erwähnst, gibt es Personen, denen die Naturwissenschaften besser liegen und Andere, die sich für Sprachen interessieren. Die Menschen verfolgen nun mal unterschiedliche Interessen. Ich teile deine Meinung, dass uns die Mathematik ständig im Alltag begegnet und auch im Berufsleben wird man sich immer wieder damit auseinandersetzen müssen, da hat man keine Wahl. Anhand dieses Baumhet Moduls kann man erneut sehen, dass Mathematik auch in dem Bereich des Umgangs mit Heterogenität verwendet wird. Man findet Mathematik einfach überall.

    Ich teile deine Meinung, dass die Unterschiede in den mathematischen Leistungen der SuS kein Grund zur Sorge sind. Man sollte sich intensiver damit beschäftigen, wie man diese Unterschiede ausgleichen und ihnen entgegenwirken kann. Das Ergebnis der PISA Studie von 2000 fand ich allerdings sehr erschreckend. Die mathematische Grundbildung der 15- Jährigen SuS gelten als wenig befriedigend. „Ein Viertel der 15- Jährigen muss als Risikogruppe eingestuft werden, deren mathematische Grundbildung nur bedingt für die erfolgreiche Bewältigung einer Berufsausbildung ausreicht“ (Artelt et al. MPI, Berlin 2001).

    Bereits ab der ersten Klasse kann man diese Leistungsunterschiede im Fach Mathematik beobachten und im Laufe der Schulzeit nehmen sie stetig zu. Ist ein/e SuS einmal in diese Schiene geraten, ist es meist schwer, dort wieder herauszukommen. Diese Erkenntnis bestätigt Heinze mit seinem Zitat: „Unterschiede zeigen sich ab der ersten Klasse, tendenziell nehmen diese im Verlauf der Grundschule noch zu“ (Heinze et al. 2007).

    Ein stärkerer Grund zur Sorge ist für mich der enorme Unterschied der mathematischen Leistungen der SuS mit und ohne Migrationshintergrund. So, wie du in deinem Blogeintrag schreibst, schneiden SuS, die in der Familie eine andere Sprache als deutsch oder mehrere Sprachen sprechen, im Fach Mathematik schlechter ab (vgl. Folie 2). Allerdings haben Forschungen bestätigt, dass sich die mathematischen Leistungsunterschiede der SuS mit und ohne Migrationshintergrund nicht verringern lassen (vgl. Folie 3). Das ist für mich besonders besorgniserregend und zugleich erschreckend, dass man diesen Ausgleich wohl nie schaffen wird.

    Zunächst erwähnst du in deinem Blogeintrag die PISA Studie von 2009, in welcher erstmals die mathematische Kompetenz der deutschen 15-Jährigen SuS über dem OECD- Durchschnittswert liegt. Das hört sich im ersten Moment positiv an, doch zugleich bleibt die starke Streuung der Leistungen der SuS bestehen (vgl. Folie 13).

    Ich sehe es genauso, dass das zweigliedrige System in Bremen, Oberschule und Gymnasium, eine sehr gute Einführung war. Somit besteht im Unterricht die Möglichkeit auf die Ansprüche jedes/r einzelnen/r SuS einzugehen. SuS, die etwas mehr Hilfe benötigen, können intensiver gefördert werden. Des Weiteren kann die Lehrkraft im Fach Mathematik verschiedene Aufgaben mit unterschiedlichen Niveaustufen erstellen und somit jede/n SuS berücksichtigen. Ich habe das selber erlebt. Ich bin in Schleswig-Holstein zur Schule gegangen. Erst war ich auf einer Gesamtschule und dann auf einem Gymnasium. Besonders an der Gesamtschule merkt man, dass die LuL Rücksicht nehmen auf leistungsschwächere SuS. Auch bei uns im Unterricht wurden Aufgaben mit verschiedenen Niveaustufen bearbeitet. Von daher unterstütze ich das zweigliedrige Schulsystem in Bremen.

    Frage 2)
    Ich sehe es genauso wie du, dass das Spielen im Mathematikunterricht eine gute Option ist, um die Leistungsunterschiede der SuS aufzugreifen. Es ist für die SuS sicherlich weit aus motivierender, als nur stumpfe Aufgaben auszurechnen oder sich von der Lehrkraft irgendwelche Erklärungen anhören zu müssen. Außerdem kann man auf diese Art und Weise alle SuS mit ins Boot holen und es bleiben nicht einige auf der Strecke liegen, wie es so oft im normalen Mathematikunterricht passiert. Ein sehr guter Punkt, den du erwähnst, ist, dass durch das Spielen auch die Interaktion mit den Mitschüler/innen gefördert wird. Des Weiteren denke ich, dass es den SuS durch die Visualisierung der Aufgaben leichter fällt, diese zu begreifen und zu lösen.

    Auch aus Lehrenden-Sicht würde ich das Spielen im Mathematikunterricht befürworten. Es ermöglicht einem die einheitlichen Qualitätsansprüche statt der Spezialdidaktiken abzudecken. Zu deinen bereits genannten Beispielen, die in den Bereich der Qualitätsansprüche hineinzählen, (Oberflächenstrukturen von Unterricht, Kommunikation, Sozialformen und Methodenvielfalt) kann man noch das Classroom Management hinzufügen. Neben den Oberflächenstrukturen von Unterricht werden durch das Spielen auch die Tiefenstrukturen im Unterricht und die Strukturierung der Lerngegenstände abgedeckt (vgl. Folie 31).

    Für die Lehrkraft ist es eine win-win Situation, da sie einerseits die Leistungsunterschiede der SuS besser in den Griff bekommt und andererseits fachdidaktische Kernbestände abdecken kann.

    Frage 3)
    Hier stimme ich dir ebenfalls bei deinen Überlegungen zu. Es ist eine gute Idee, auf spielerische Art und Weise Wissen zu vermitteln, jedoch sollten die SuS auch wissen, weshalb sie genau dieses Spiel gespielt haben.

    Eine Möglichkeit wäre, dass man die SuS fragt, weshalb man sich als Lehrkraft genau dieses Spiel ausgesucht hat. Was soll dies den SuS mitteilen?

    Bei deinem zweiten Beispiel stimme ich dir ebenfalls zu, dass wenn es zu einem Misserfolg kommen sollte, die SuS dazu auffordert, über einen Strategiewechsel nachzudenken.

    Ein solches Beispiel wäre das Modell „Yes we can“ (vgl. Folie 27). Hier wird SuS spielerisch das Rechnen mit den Fingern vermittelt. Nachdem man dieses Spiel durchgeführt hat, kann man die SuS fragen, warum man dieses als Lehrkraft gewählt hat und was sie daraus gelernt haben.

    Frage 4)
    Ich finde deine beiden Fragen sehr hilfreich, um mögliche Denkhandlungen von Lernenden beobachten zu können. Ich möchte dir gerne noch meine zwei Fragen zu diesem Thema vorschlagen.

    1. Steuert das Spielen der SuS zu einem besseren Verständnis der Thematik bei?

    2. Sind alle SuS in der Lage, die von der Lehrkraft gestellte Aufgabe eigenständig zu bearbeiten?

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