Mittendrin statt nur dabei
Inklusion, vom lateinischen „includere“ (=einbeziehen) abstammend, ist nicht gleich Integration. Während Integration davon ausgeht, Menschen mit von der „Norm“ abweichenden Gegebenheiten nachträglich in die Gesellschaft einzugliedern, meint Inklusion eine von Anfang an gleiche und gleichberechtigte Teilhabe und Mitgestaltung der Gesellschaft. Im Bereich der Schule bedeutet Inklusion, dass alle SchülerInnen die gleichen Chancen und das gleiche Recht auf Bildung haben – unabhängig ihrer Stärken und Schwächen. Demnach sollen SchülerInnen mit körperlichen, emotional-sozialen und kognitiven Beeinträchtigungen, anstatt in separaten Sonderschulen beschult zu werden, am Regelunterricht teilnehmen.
Das Modell der Inklusion in der Schule wird in Deutschland kontrovers diskutiert. Im Prinzip geht es um zwei Sichtweisen auf den Menschen in der Gesellschaft:
Vertreter der einen Perspektive sehen Schulbildung als Entwicklung produktiv nützlicher, zuverlässiger Menschen für den Markt. Sie legen eine Messlatte vorgegebener Leistungsanforderungen an die SchülerInnen an und fragen: „Welche Fehler hat das Kind? Was ist „nicht ganz normal“?“, um es seinen individuellen „Fehlern“ entsprechend in Sondereinrichtungen zu erziehen.
Befürworter der anderen Perspektive verstehen Schulbildung als Befähigung des Menschen zu Selbstbestimmung und Selbstverantwortlichkeit für das eigene Lebensglück – und auch für politische Teilhabe. Im Mittelpunkt dieser Herangehensweise steht die Frage: „Was steht dem Kind im Weg? Welche Hindernisse gilt es zu beseitigen?“, damit das Kind am gemeinsamen Unterricht aller teilhaben kann.
Gegner oder Skeptiker der Inklusionsschule behaupten, eine solch radikale Inklusion sei unmöglich, da nicht alle SchülerInnen im Regelunterricht beschult werden könnten. Der Kultusminister Mecklenburg-Vorpommerns nennt Inklusion gar „Kommunismus für die Schule“. Inklusionsbefürworter argumentieren darauf, das Schulsystem müsse weg von der Wachstumsprämisse und hin zu einer sozialen Gesellschaft.
Auf einen weiteren Vorwurf – das inklusive Schulsystem sei zu teuer – antworten Pro-Inklusions-Pädagogen, die Abschaffung des teuren Parallelschulsystems würde Gelder freimachen, die zur Realisierung eines Betreuungsschlüssels im inkludierten Schulsystem verwendet werden sollten.
Ich selbst möchte sehr an das Modell der inklusiven Schule glauben, zweifele allerdings selbst oft an deren Durchführbarkeit hinsichtlich des streng bemessenen Lehrplanes. Sicherlich ist hier auch ein Umdenken notwendig hin zu einem Curriculum, der nicht Noten in den Vordergrund stellt sondern Talente und Bemühungen.
Weiterhin frage ich mich, ob es Menschen mit Beeinträchtigung frustriert und demotiviert, im ständigen Kontakt mit nicht-beeinträchtigten Menschen ihre eigenen „Defizite“ aufgezeigt zu bekommen und sie sich in einem Schutzraum wohler fühlen würden. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass in einem voll-inkludierten Schulsystem eben durch die Aufhebung der Trennung der Schuleinrichtungen auch die Trennlinien zwischen den SchülerInnen verwischen. Vormals auf ihre „Defizite“ reduzierte SchülerInnen könnten im Erleben von Autonomie und sozialer Eingebundenheit ihre Potenziale verwirklichen und somit den Unterricht und das Lernumfeld bereichern.