Trans-Hype – Und was kommt danach?

Transkulturelles Lernen, Translanguaging – die Dozentin Nicole Marx brachte es mit einem fragwürdigen Kommentar bezüglich des diesjährigen Eurovision Song Contests auf den Punkt: Trans ist Trend!

Doch Trends sind kurzlebig, geltende Vorstellungen können schnell durch neue gekippt werden. Gerade die historische Entwicklung der Schulpädagogik zeigt uns, wie schnell augenscheinlich gute Ansätze als lediglich „gut gemeint“, jedoch lücken- und fehlerhaft überholt werden. Es ist noch nicht allzu lang her, dass – zumindest in einigen Elternhäusern – die Vorstellung galt, eine bilinguale Erziehung würde die Sprachkompetenz in beiden Sprachen beeinträchtigen. So wuchsen manche Kinder, trotz der unterschiedlichen Herkunftssprachen ihrer Eltern monolingual auf. Heute ist diese Sichtweise von einer Befürwortung des Multilingualismus abgelöst. Und morgen?

Daher finde ich es an dieser Stelle wesentlich sinnvoller, das uns vorgestellte Modell des Translanguagings erst einmal zu reflektieren, bevor dessen Kriterien ungefragt angewandt werden.

Translanguaging ist mit der von Mobiltelefonen bekannten T9-Funktion vergleichbar, wobei unterschiedliche Sprachen flexibel angewandt werden und den Text entstehen lassen. Ähnlich soll durch den strategischen Gebrauch unterschiedlicher Sprachen eine multilinguale Identität der SchülerInnen gefördert werden. Dies kann eine transformative Pädagogik erreichen, indem sämtliche von den SchülerInnen gesprochenen Sprachen einbezogen werden, um somit Sprache als System verstehen zu lernen.

Für mich sind dies bis jetzt nur übermotivierte Floskeln, die mich noch dazu gewaltig einschüchtern. Wie soll ich alle der von den SchülerInnen gesprochenen Sprachen in den Unterricht einbeziehen? Besteht nicht die Gefahr, dass ich als Nicht-Muttersprachlerin den SchülerInnen Unwahrheiten über diese Sprachen lehren könnte, da ich sie selbst nicht beherrsche? Und würde nicht alles letztendlich in einer Verniedlichung von Sprachen enden, wenn ich im Politikunterricht der 12. Klasse das Wort für „Verfassung“ in verschiedenen Sprachen an die Tafel schreiben würde?

Doch je intensiver ich darüber nachdenke, desto mehr Vorteile sehe ich in diesem Ansatz. Schon das eben erwähnte Beispiel des Verfassungsbegriffes auf verschiedenen Sprachen (engl.: constitution, poln.: konstytucja, alb.: kushtetutë) kann den gemeinsamen Wortursprung und somit womöglich auch gemeinsame Vorstellungen von Verfassungen verinnerlichen. Denn Sprache kann immer auch subjektive Sichtweisen widergeben. Sprachen gleichwertig anzuwenden, würde bedeuten, andere Sichtweisen zu akzeptieren und zu verinnerlichen. Schließlich sind Sprachen – ähnlich wie Kulturen – Hybride, die schon immer Begriffe aus anderen Sprachen aufgenommen und als eigene anerkannt haben.

Published in: on 15. Mai 2014 at 23:59 Comments (1)
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