Englischunterricht zwischen Selektion und Inklusion: RV06

Mein Englischunterricht begann in der 3. Klasse. Dort war es erstmal wichtig einen „ersten Kontakt“ mit der neuen Fremdsprache zu ermöglichen. Dies wurde mit kurzen Geschichten oder Gedichten aber auch oft mit Liedern und sogar Spielen ermöglicht. Diese beinhalteten natürlich allesamt simplere Vokabeln die parallel gelernt wurden. Somit wurden erstmal hauptsächlich funktionale Aspekte der Sprache so beigebracht, damit die Kinder Spaß an der neuen Sprache finden. Anfang der Sekundarstufe 1 wurden vermehrt Vokabeltests zu den jeweiligen Unterrichtsinhalten geschrieben. Nebenbei wurde den SchülerInnen der grammatisch korrekte Gebrauch der Sprache gelehrt. Zum Ende der Sekundarstufe 1 (sprich 9. Klasse) war der formal korrekte Gebrauch der Sprache stärker gewichtet als in den Jahren davor. Zwar wurden auch immer noch funktionale Skills gelehrt (Listening comprehension, Gespräche unter Mitschülern, freies Schreiben) jedoch lagen die Hauptaugenmerkmale auf formalen Aspekten. In Sekundarstufe 2 wurden die Formalitäten der Englischen Sprache nun vorausgesetzt und somit kaum noch gelehrt. Der Unterricht bestand, wenn auch um einiges komplexer, fast ausschließlich wieder aus funktionalen Lerninhalten ähnlich wie in der Primärstufe

2.1 In meiner Schulzeit mussten „gute Fremdsprachenlerner“ zuallererst das Interesse an der jeweiligen Sprache mitbringen. SchülerInnen ohne Interesse beteiligten sich in der Regeln weniger mündlich am Unterricht und ihnen fehlte somit eine verbale Praxis die für das Erlernen neuer Sprachen unerlässlich ist. Das Selbe trifft natürlich auch auf introvertierte SchülerInnen zu, die durch ihre Charaktereigenschaft auch weniger englische Wortmeldungen oder auch, im Zuge des Unterrichts, weniger englische Diskussionen mit Mittschülern führen. Gerade in der Sekundarstufe 1, in der viel Formalität gelehrt wird, ist es ebenso wichtig, ein gewisses Durchhaltevermögen zu besitzen um das Interesse an der Sprache nicht zu verlieren. Neben Motivation und einer gewissen Kommunikationsaffinität  als wichtigem Werkzeug für das Sprachenlernen ist es ein Vorteil, sich außerschulisch mit der Sprache auseinanderzusetzen, sogar keine andere Möglichkeit zu haben als die Sprache zu einem gewissen Maße zu beherrschen. So können zum Beispiel englische Serien, Filme, Podcasts, etc. von den LernerInnen nur verstanden werden wenn die englische Sprache verstanden wird. Dem Lernenden wird so eine „Aufgabe“ gestellt zu dessen Lösung die Auseinandersetzung mit der Fremdsprache gefordert ist. Diese Anwendung der Sprache mit der Funktion ein Problem zu lösen, zählt als wichtigster Aspekt des Sprachenlernens (vgl. Bach 2009 S.8)

2.2 Nachdem der Unterricht der Sekundarstufe 1 uns auf die Oberstufenthemen vorbereiten sollte und lediglich Themen behandelten die als Mittel zum Erlernen des Sprachgebrauchs dienten, behandelten wir in der Sekundarstufe 2 Themen die tagesaktuell waren. Im Englischunterricht herrschte eine Diskussionskultur, welche nicht nur den Zweck hatte die Sprache zu erlernen also nicht mehr nur „Mittel zum Zweck“ war. Es wurden Themen aus der englischen Welt (Großbritannien, Kanada, etc.) bearbeitet welche den SchülerInnen einen gewissen Einblick und bei Manchen sogar Interesse weckten. Somit wird eine „Brücke“ zwischen unserer und der englischsprachigen Kultur gespannt welche als Einstieg in interkulturelle Kommunikation dienen kann. Eine Reise in eine englischsprachiges Land (in meinem Falle Schottland) war der Höhepunkt des Englischunterrichts der Oberstufe und stellte auch die praktischen Kenntnisse auf die Probe. Der Unterricht bis zur Sekundarstufe 2 bildet also eine Kommunikationsgrundlage die dann in der Oberstufe getestet und nochmal aufgebessert wird. Wenn die SchülerInnen mit der Schulbildung fertig sind sollten sie im besten Fall vorbereitet auf einen interkulturellen sprachlichen Austausch sein. Darüber hinaus schreibt der Bildungsplan Englisch für das Land Bremen vor, dass der Englischunterricht idealerweise Vorurteilsfreies und Klischeefreies denken fördert. Außerdem eine respektvolle aber kritische Auseinandersetzung mit fremden Kulturen ermöglicht (vgl. Senatorin für Bildung und Wissenschaft 2010 S. 7). Meiner Einschätzung nach ist dies nach der Oberstufe möglich da der Fokus auf Themen der englischsprachigen Welt liegt und eine gewisse Nähe und Empathie für die Kulturen bildet. Jedoch besteht eine große Gefahr darin, dass der funktionell geprägte Mittelstufenunterricht eine Abneigung zum Fach Englisch und den damit eingehenden englischsprachigen Kulturen auslöst und SchülerInnen nicht bereit sind sich in der Oberstufe ausgiebig mit einem Thema zu beschäftigen. Außerdem muss der Oberstufenunterricht aktuelle und authentische Themen bearbeiten. In meinem Abi Thema, Kanada, haben wir stätig tagesaktuelle Themen durch Dokumentationen und Zeitungsartikeln bearbeitet. Wenn das bereitgestellte Material nicht authentisch gewesen wäre sondern bewusst für Schulen entwickelt worden wäre, kann der Fokus der SchülerInnen auf dem Lösen einer Schulaufgabe liegen, anstatt auf dem Auseinandersetzen mit einem aktuellen Thema und einer damit verbundenen Kultur.

 

Literatur: Bach, Gerhard / Timm, Johannes-Peter; 2009; Englischunterricht, Grundlagen und Methoden einer handlungsorientierten Unterrichtspraxis; A. Francke Verlag Tübingen und Basel

Senatorin für Bildung und Wissenschaft; 2010; Englisch. Bildungsplan für die Oberstufe; https://www.lis.bremen.de/sixcms/media.php/13/2010_BP_O_Eng%20Erlassversion.pdf


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