- Benennen Sie auf Grundlage des Textes von Debus/Laumann 2018 die verschiedenen Ebenen auf denen a) Geschlechtliche Vielfalt und b) sexuelle und romantische Orientierungen differenziert werden können. Recherchieren Sie als Gegensatz dazu, das Konzept der Heteronormativität und beschreiben Sie kurz, was damit gemeint ist. Arbeiten Sie heraus, inwiefern die geschlechtliche und sexuelle Vielfalt von Menschen auch im Rahmen Ihres eigenen Berufs als Lehrer*in relevant sein könnte in Bezug auf die Lehrinhalte, die Lehrbücher, die Beziehung zu den Schüler*innen und Kolleg*innen. Nennen Sie dazu mindestens zwei konkrete Beispiele.
a)
Debus & Laumann differenzieren drei verschiedene Ebenen:
Körper, Identität und Ausdruck (Debus/Laumann 2018, S. 15)
Die Ebene Körper umfasst unter anderem zum Beispiel Sexualorgane, Chromosomen, Hormone, Zeugungs- und Gebärfähigkeit (ebd.).
Unter dem Begriff „Identität“ verstehen die Autor*innen „ein tief sitzendes Wissen um die eigene innere Wahrheit, in die niemand Eingriff nehmen kann und darf“ (Debus/Laumann 2018, S. 16). Diese Ebene umfasst also alle Verortungen der eigenen Identität, beispielsweise als männlich, weiblich, genderqueer oder nicht-binär (ebd.).
Mit der Ebene „Ausdruck“ sind die Vielfalt verschiedener Geschmäcker in Bezug auf Kleidung, berufliche- und Freizeitaktivitäten, Styling etc. gemeint, die mit unterschiedlichsten Körpersprachen, Emotionen, Fähigkeiten oder Abneigungen verbunden sind (Debus/Laumann 2018, S. 16). Laut den Autor*innen muss die Ebene „Ausdruck“ nicht unbedingt etwas mit Geschlecht zu tun haben, in der Gesellschaft wird dieser Zusammenhang jedoch oft vollzogen und auch viele Menschen bringen Ausdruck und Geschlecht miteinander in Verbindung (ebd.).
b)
In Bezug auf Sexuelle und Romantische Orientierungen unterscheiden die Autor*innen sexuelle Vielfalt im engeren Sinne, Geschlechterkombinationen und wie viel sexuelles/romantische Begehren eine Person hat (Debus/Laumann 2018, S. 38).
Zur sexuellen Vielfalt im engeren Sinne gehören Lebensweisen, bzw. Identitäten wie heterosexuell, homosexuell, bisexuell, queer, aromatisch etc. (ebd., S. 35 f.)
Heteronormativität
Heteronormativität beruht auf der Annahme von zwei klar voneinander abgrenzbaren, sich ausschließenden Geschlechtern und der Beizeichung von heterosexuellem Begehren als „natürlich und normal“ (Hartmann/Klesse 2007, S. 9). Der Begriff wird von den Autor*innen auch als „zentrales Machtverhältnis, das alle wesentlichen gesellschaftlichen und kulturellen Bereiche, ja die Subjekte selbst durchzieht“ (Hartmann/Klesse 2007, S. 9), beschrieben.
Außerdem vertritt das „diskursive Regime“ Heteronormativität die Ansicht der Unveränderbarkeit von Geschlecht und sexueller Orientierung (ebd.).
Somit kann Heteronormativität auch als gegensätzliche Strömung zu geschlechtlicher und sexueller Vielfalt & Orientierung gesehen werden.
Das eigene Verständnis von sexueller Vielfalt und das Bewusstsein über die weit verbreitete Sichtweise von Heteronormativität kann das Lehrer*innensein in vielfältiger Weise beeinflussen, da man oft ganz unbewusst eigene Werte und Weltanschauungen im Unterricht mit vermittelt. Dies wird z.B. deutlich:
- Bei der Wahl der Beziehungskonstellationen in z.B. Fallbeispielen oder Aufgaben, wird hier immer das heterosexuelle Paar gewählt oder auch andere Beziehungsformen?
- Bei der gemeinsamen Festlegung des Miteinanders im Unterricht, oft als „Klassenregeln“ festgehalten. Diese können auf die „üblichen“ Werte wie Ausreden lassen oder wertschätzender Umgang begrenzt werden, oder eben auch erweitert werden auf z.B. „sexuelle Vielfalt ohne Diskriminierung“ oder „Toleranz und Offenheit gegenüber allen sexuellen Orientierungen“.
Quellen:
Hartmann, J., Klesse, C. (2007). Heteronormativität. Empirische Studien zu Geschlecht, Sexualität und Macht — eine Einführung. In: Hartmann, J., Klesse, C., Wagenknecht, P., Fritzsche, B., Hackmann, K. (eds) Heteronormativität. VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Debus, J.; Laumann, V. (Hrsg.) (2018): Pädagogik geschlechtlicher, amouröser und sexueller Vielfalt- Zwischen Sensibilisierung und Empowerment. Berlin: Dissens – Institut für Bildung und Forschung e.V., 1. Auflage.
- Fallbeispiel in der Schule: Jona weiß schon seit einiger Zeit, dass er ein Junge ist, auch wenn ihm bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen wurde. In der Schule haben die meisten Lehrenden Jona akzeptiert und nennen ihn bei seinem neuen Namen und Pronomen. Aber immer wenn es um die Toilettennutzung oder den Sportunterricht geht, kommt es zu Problemen. In der Umkleide beim Umziehen wird er von seinen Cis-männlichen Klassenkameraden ausgelacht. Die Cis-Mädchen wollen Jona in ihrer Umkleide auch nicht haben. Sie behaupten, Jona würde sie beobachten und das sei Ihnen unangenehm. Jona war früher sehr sportbegeistert, inzwischen nimmt er am Sportunterricht nur noch selten teil und meldet sich immer häufiger krank.
Überlegen Sie, welche Schritte würden Sie als Lehrer*in gehen, um Jona das alltägliche Leben leichter zu machen? Wie sollte sich das Kollegium aufstellen, welche Gespräche müssten mit der Klasse geführt werden und welche institutionellen Barrieren könnten abgebaut werden? Notieren Sie Ihre Überlegungen.
- Lehrerkollegium sollte sich einheitlich positionieren und diese Position auch in den Klassen vertreten
- Jona in 1zu1 Gespräch dazu ermutigen, seinen Hobbies trotzdem nachzugehen und sich trotz den Hindernissen und Hürden nicht seine Freude am Sport nehmen lassen. Ihm versichern, dass seine Lage ernst genommen wird, Gefühle validieren und ihm klar machen, dass man sich der Problematik annimmt. Ihn fragen, inwieweit er sich bereiterklärt, das Thema auch im Klassenverbund zu thematisieren.
- Wenn die Mädchen sagen, dass es ihnen unangenehm wäre, wenn Jona anwesend ist, sollte dies ebenso ernst genommen werden, denn die Umkleide stellt einen sensiblen Raum dar und jeder sollte sich sicher fühlen, Jona, aber auch alle anderen
- Es könnten einige Einzelumkleiden für alle festgelegt werden und auch Gruppenumkleiden für alle, denen das Umziehen nach Geschlechtern egal ist.
- In der Klasse sollte das Thema der sexuellen Vielfalt auf jeden Fall aufgearbeitet werden und ein Perspektivenwechsel sollte angestrebt werden, damit die Schüler*innen die Lage von Jona und seine Gefühle besser nachvollziehen können.
- Recherchieren Sie in den sozialen Medien mindestens drei positive Vorbilder, die offen und bestärkend damit umgehen, dass Ihre eigene Sexualität oder Geschlechtsidentität von der heteronormativen Struktur abweicht und stellen Sie diese kurz in wenigen Sätzen vor.
Ich persönlich habe keine Vorbilder (themenunabhängig) und finde den Gedanken falsch, sich jemanden als Vorbild zu nehmen, der eine von der heteronormativen Struktur abweichende Sexualität offen thematisiert. Natürlich ist dieser Schritt von der Person als mutig zu bezeichnen und die Diskriminierung, die sie dann oft erfahren müssen, ist mit nichts zu entschuldigen. Es ist dann natürlich umso mutiger, diesen Weg trotzdem zu gehen, auch wenn man z.B. sogar Morddrohungen und Beleidigungen auf täglicher Basis erfährt.
Trotzdem hier 3 Beispiele für Personen, die sich dem täglich aussetzen:
Jolina Mennen
Influencer*in, lebt offen als Transfrau, macht transparent, wie extrem diskriminierend und hasserfüllt Menschen gegenüber sexueller Vielfalt (v.a. im Internet) sein können
Ellen Degeneres
Outete sich 1997 im US-amerikanischen Fernsehen und war somit vielen Personen mit diesem Schritt in die Öffentlichkeit ein Vorbild, besonders als Person des öffentlichen Lebens und zu dieser Zeit.
Tessa Ganserer
Erste Transfrau im deutschen Bundestag – stellt sich täglich den heteronormativen Stimmen im Bundestag entgegen
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