Nicht über uns ohne uns!

  1. Was bedeutet der Slogan “Nicht ohne uns über uns!” hinsichtlich der gleichberechtigten Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit einer Behinderung? Erörtern Sie dies anhand eines Beispiels und beziehen Sie sich dabei auf die UN-BRK.

Der Slogan besagt, dass über die Belange von Menschen mit Behinderung nicht ohne deren Beisein oder deren Beteiligung diskutiert und entschieden werden darf.

Dies spiegelt sich auch in diversen Artikeln der UN-BRK wider.

So ist in Artikel 3 Abschnitt c „die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft“ (UN-BRK 2018, S.9) festgelegt.

In Artikel 4 wird die Aussage des Slogans noch einmal konkreter deutlich. Hier heißt es: „Bei der Ausarbeitung und Umsetzung von Rechtsvorschriften und politischen Konzepten zur Durchführung dieses Übereinkommens und bei anderen Entscheidungsprozessen in Fragen, die Menschen mit Behinderungen betreffen, führen die Vertragsstaaten mit den Menschen mit Behinderungen, einschließlich Kindern mit Behinderungen, über die sie vertretenden Organisationen enge Konsultationen und beziehen sie aktiv ein“ (UN-BRK 2018, S.10)

Wenn nun beispielsweise in der Politik über den Ausbau der barrierearmen Infrastruktur öffentlicher Einrichtungen und Gebäude diskutiert wird, sind die Entscheidungsträger, durch Deutschlands Unterzeichnung der UN-BRK und der damit verpflichtenden Umsetzung der Inhalte, daran gebunden, nun auch Personen mit Behinderung, hier insbesondere Menschen mit einer körperlichen Behinderung, die eine barrierearme Umgebung notwendig macht, in die Entscheidungen mit einzubeziehen, deren Belange anzuhören und sie als Experten auf dem Gebiet „Barrieren“ zu betrachten.

  1. Bitte reflektieren Sie die Erfahrungen der beiden Gäste Amelie Gerdes und Silas Palkowski vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrungen. Welche Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren (u.a. räumlich, personell, materiell) sind in der Schule und im Übergang in den Beruf / das Studium bezogen auf die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit einer Behinderung förderlich und welche hinderlich?

Beide Gäste bringen unterschiedliche Erfahrungen in Bezug auf die Art der Behinderung und den Umgang der Gesellschaft mit dieser mit. Während Silas Palkowski erst seit dem Jugendalter mit seiner Querschnittslähmung lebt und unmittelbar Vergleiche zwischen seinem Leben vor und nach dem Unfall und die sich daraus ergebenden Veränderungen ziehen kann, lebt Amelie Gerdes bereits ihr ganzes Leben mit einer Behinderung und ist dementsprechend bereits seit der Kindheit mit Herausforderungen konfrontiert.

Auch die Art der Behinderung unterscheidet sich bei den beiden, denn die Erfahrungen in der Gesellschaft mit einer körperlichen Behinderung sind andere als die mit einer kognitiven Behinderung.

Dementsprechend unterscheiden sich auch die Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren.

Während Personen mit einer körperlichen Beeinträchtigung wohl besonders mit räumlichen Bedingungen zu kämpfen haben, also nicht barrierearme Schulen oder Vereine, die nur Sportarten für körperlich „Gesunde“ anbieten, sind Personen mit einer kognitiven Behinderung meist weniger auf besondere räumliche Anforderungen angewiesen.

Von personellen Ressourcen können beide Gruppen jedoch profitieren, bzw. bei Abwesenheit dieser Ressourcen dementsprechend nicht profitieren. Denn sowohl für körperliche als auf für kognitive Behinderung können z.B. Schulbegleiter*innen eine große Erleichterung des Alltags darstellen, die sie natürlich auf unterschiedliche Art und Weisen unterstützen und so eine Regelbeschulung im Sinne der Inklusion, wie es in Deutschland durch die unterzeichnete UN-BRK verpflichtend wäre, ermöglichen (Deutsches Institut für Menschenrechte, Artikel 24 UN-BRK).

Materielle Einflussfaktoren können zum Beispiel bei der Berufs-/Studiensuche spezielles Informationsmaterial sein, welches auch Aspekte, die für Personen mit Behinderung von Relevanz sind, mit aufgreift. Dies könnten zum Beispiel Infos zu barrierearmen Betrieben, Stipendien oder Förderprogrammen sein, zu behindertengerechten Studentenwohnungen etc.

Meine persönliche Erfahrung zu diesem Thema ist, dass ich in meiner Schulzeit (bis 2014) weder barrierearme Schulen kennengelernt, noch Inklusion im Sinne der Zusammenlegung von Regelschulen und Schulen für Kinder mit besonderem Förderbedarf erlebt habe. Auch wurde in der Berufsorientierung nicht auf Angebote für Schüler*innen mit Behinderung eingegangen.

  1. In der Vorlesung wurde auch die Perspektive der Eltern von Kindern und Jugendlichen mit einer Behinderung angesprochen. Welche Bedeutsamkeit messen Sie der Zusammenarbeit mit Eltern bei und welche Schlussfolgerungen leiten Sie daraus für sich als angehende Lehrkraft ab?

Die Zusammenarbeit mit Eltern ist absolut altersabhängig und hängt meiner Meinung nach eng mit der sich entwickelnden Mündigkeit der Schüler*innen zusammen, egal ob mit oder ohne Behinderung.

Während Eltern in den ersten Schuljahren (Grundschule) noch stärker in die schulischen Belange mit einbezogen werden für die Bedürfnisse ihrer Kinder einstehen, lässt die Notwendigkeit einer engen Lehrer-Eltern-Zusammenarbeit mit zunehmender Autonomie der Schüler*innen nach.

Die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit bei einer vorliegenden Behinderung ist natürlich immer individuell abzuwägen und festzulegen. Entscheidend ist meiner Meinung nach aber der Wunsch des/der Schüler*in. Lehrkräfte können besonders in weiterführenden Schulen durchaus auch in angemessenem Rahmen mit dem/der betreffenden Schüler*in ohne Elternbeistand Entscheidungen treffen und Gespräche führen, in welchen die Schüler*innen ihre Wünsche und Bedürfnisse für Unterricht und Schulgestaltung äußern können.

Quellen:

Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen (2018): Die UN-Behindertenrechtskonvention – Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Online verfügbar unter:https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/Redaktion/PDF/DB_Menschenrechtsschutz/CRPD/CRPD_Konvention_und_Fakultativprotokoll.pdf(letzter Aufruf 5.5.23).

Deutsches Institut für Menschenrechte (o.J.): Artikel 24 UN-BRK.

Online verfügbar unter: https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/menschenrechtsschutz/datenbanken/datenbank-fuer-menschenrechte-und-behinderung/detail/artikel-24-un-brk (letzter Aufruf 5.5.23)


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert